von Stefan Haböck
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18. November 2025
Ging es im ersten Panel der Fachkonferenz um das „Gestern und Heute“ der EU-Mitgliedschaft, dann richtete sich das zweite Panel klar auf das „Morgen“. Unter dem Titel „Regionen und Europa: Wie bleiben wir zukunftsfähig?“ diskutierten Vertreter aus Finanzwirtschaft, Technologie, Politik und Wissenschaft, wie Digitalisierung, Innovation und ein neues Selbstverständnis Europa und seine Regionen stärken können. >>> zum Video der Diskussion auf YouTube >>> zum Fotoalbum auf Flickr Die Diskussionsrunde bestand aus Kathrin Kühtreiber-Leitner, Vorstandsdirektorin Oberösterreichische Versicherung AG, Manuel Molnar, Vorstandsdirektor Sparkasse Oberösterreich, Unternehmer und Nationalrat Laurenz Pöttinger sowie dem Ökonomen Wolfgang Schwarzbauer (EcoAustria) . Geleitet wurde das Panel von Moderator Werner Sejka (Puls4) . Den inhaltlichen Start lieferte Daniel Cracau, Director Outreach & Start-Ups an der IT:U University Linz , mit seinem Impulsvortrag " Digitalisierung als Motor der Regionen". Hier stellte Cracau klar: Digitale Transformation ist kein Trend – sie ist Überlebensstrategie. Europa hinke im internationalen Vergleich hinterher, erklärte er, das Gefälle zwischen West und Ost sei deutlich sichtbar. Österreich befinde sich im Mittelfeld. „Wir sind noch lange nicht dort, wo wir sein wollen“, sagte Cracau. Die Kluft zwischen Anspruch und Realität müsse dringend geschlossen werden. Für Cracau sei sicher: KI-Kompetenzen werden künftig über Wettbewerbsfähigkeit entscheiden, neue Universitätskonzepte wie die IT:U seien der Schlüssel, und Transformation dürfe kein Expertenthema bleiben, sondern müsse „in die Breite“. Sein Appell: „Jeder muss sich mit dem Wandel auseinandersetzen – und genau dafür sind Foren wie dieses ein Startpunkt.“ Oberösterreich: Innovativ, aber noch nicht Spitzenklasse Wolfgang Schwarzbauer von EcoAustria knüpfte daran an: Oberösterreich sei noch nicht die führende Digitalisierungsregion, habe aber durchaus das Potenzial, es zu werden. Dafür brauche es ein Zusammenspiel aus Bevölkerung, Wissenschaft und Wirtschaft. Er plädiert dafür, weniger über Defizite zu sprechen und stärker über Chancen – „Freiräume schaffen statt bremsen“. Doch er warnte auch: Österreich sei ein Hochlohnland und damit stärker auf internationale Märkte angewiesen als andere. „Wir sind zu klein, um alles allein zu stemmen.“ Innovation sei daher keine Option – sondern eine Pflicht. Wie kommuniziert man Europa richtig? Einen völlig anderen Blick brachte Kathrin Kühtreiber-Leitner ein: den der Wertevermittlung. Sie schilderte eine persönliche Anekdote: Ein Schulbuch ihres Sohnes – randvoll mit kritischen Bemerkungen über die EU. „Wir zahlen nur, wir profitieren wenig.“ Für sie ein Sinnbild dafür, dass Europa oft falsch dargestellt werde. Medien und Bildungssystem müssten stärker positive Leistungen sichtbar machen. „Die Wertehaltung braucht ein Update“, so Kühtreiber-Leitner. In Hinblick auf Digitalisierung sei sie optimistisch – zumindest, wenn Regionen zusammenhalten. Hagenberg sei ein Vorzeigebeispiel, wie Forschung, Ausbildung und Wirtschaft an einem Ort wirken können. Ideen gibt es genug – doch wie wird daraus Wertschöpfung? Manuel Molnar von der Sparkasse zeigte, wie groß das Potenzial in Oberösterreich bereits ist: Über 3000 Studierende beschäftigen sich in Linz mit künstlicher Intelligenz, innovative Zentren wie die „Startrampe“ in der Tabakfabrik fördern neue Ideen. Doch sein Kritikpunkt sitzt tief: Zwischen guten Ideen und wirtschaftlicher Umsetzung vergehen in Österreich oft Jahre. „Die Herausforderung liegt darin, Innovation in Cashflow zu verwandeln.“ Auch die Regulierungsdichte bremse Europa. Ein Vergleich brachte es für ihn auf den Punkt: In der EU gäbe es über 13.000 Verordnungen in einer Legislaturperiode, in den USA rund 3.000. Zuviel Regulierung nehme Individualität, Wettbewerb und Tempo aus dem System, so Molnar. Positive Zukunft – aber nur mit Mut zur Veränderung Unternehmer und Nationalratsabgeordneter Laurenz Pöttinger stellte die Frage in den Raum: Sind wir politisch auf dem richtigen Weg? Seine Antwort fiel differenziert aus: „Ja, wir machen Fehler – aber wir haben eine gute Perspektive.“ Er zeigte sich überzeugt, dass künftige Generationen bessere Chancen haben werden als die heutigen. Know-how sei reichlich vorhanden, die europäische Wirtschaft robust. Doch Pöttinger warnte: Die letzten Lohnabschlüsse seien für viele Unternehmen belastend gewesen. Er forderte, zumindest für eine Übergangsphase über eine Lohnnullrunde nachzudenken, um die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Auch die Lohnnebenkosten müssten sinken. Innovationsbremse Bürokratie? Das Thema Bürokratie zog sich wie ein roter Faden durch das Panel. Kühtreiber-Leitner schilderte den enormen Aufwand, den neue EU-Verordnungen – wie etwa im Konsumentenschutz oder die DORA-Regelung – für Unternehmen verursachen. „Wir sind viel mit uns selbst beschäftigt“, sagte sie. „Früher wäre ein Projekt leichter umzusetzen gewesen.“ Schwarzbauer ergänzte, dass viele Ideen an Universitäten nie realisiert würden – „sie verstauben in Schubladen“. Das sei ein strukturelles Problem, das dringend gelöst werden müsse. Cracau plädierte dafür, geistiges Eigentum einfacher verwertbar zu machen und Studierende früher in reale Unternehmensprozesse einzubinden. Mindset und Migration: Die großen Stellschrauben Gegen Ende der Diskussion rückten zwei übergeordnete Themen in den Mittelpunkt: Mindset und Zuwanderung. Cracau formulierte es deutlich: „Wir glauben oft, es geht sich irgendwie aus.“ Doch diese Haltung sei gefährlich. Auch jeder müsse an sich selber arbeiten, auch Unternehmer sich fragen, warum Unternehmen nicht energieeffizienter arbeiten oder warum Innovationen zu langsam umgesetzt würden. Auch die Zusammensetzung des öffentlichen Dialogs müsse sich ändern: „Er muss weiblicher, jünger und internationaler werden.“ Für die Wettbewerbsfähigkeit Oberösterreichs sei zudem eine klarere, besser koordinierte Einwanderungspolitik nötig. Fazit: Zukunftsfähigkeit braucht Mut – und ein neues Denken Das zweite Panel der IRE-Fachkonferenz machte deutlich: Zukunftsfähigkeit entsteht nicht durch Zufall. Sie braucht Vision, Raum für Innovation, gezielte Förderung – und weniger Bürokratie. Oberösterreich hat enormes Potenzial: Starke Forschung, engagierte Unternehmen, technologisches Know-how und eine junge, wachsende digitale Szene. Doch ohne ein modernes Mindset, mehr Geschwindigkeit und Mut zur Veränderung wird dieses Potenzial nicht ausgeschöpft. Als Kernaussage des Panels kann man zusammenfassen: Regionen werden dann zukunftsfähig sein, wenn sie Transformation nicht nur verstehen – sondern aktiv gestalten. >>> zum Video der Diskussion auf YouTube